Alle Artikel in: Autismus

Heile Welt.

Urlaub. Erholung. Ruhe. Auspannen. Familienzeit. Die Seele baumeln lassen. Urlaub vom Alltag. Urlaub. Unsicherheit. Angst. Streit. Stress. Unruhe. Verzweiflung. Trauer. Tränen. Urlaub vom Urlaub. Ein Wort. Zwei Welten. Letzteres trifft auf uns zu. Ersteres meine ich des Öfteren in meinem weiteren Umfeld zu verhören. Urlaub – eigentlich ein so schönes Wort. Verbunden mit so vielen positiven Ereignissen und Empfindungen. Eigentlich. Ja, eigentlich. Denn bei uns ist es oft, meistens, anders. Normalerweise brauche ich Urlaub vom Urlaub. Mit einem behinderten Kind in den Urlaub zu fahren ist oftmals, fast immer, harte Arbeit, die meistens mit der neuen Umgebung und den neuen Gewohnheiten zu tun haben. Hinzu kommt, dass der normale Alltag pausiert und auf einmal ein neuer Tagesrhythmus herrscht. Warum dann überhaupt in den Urlaub fahren? Das ist eine gute Frage. Trotz aller Anstrengungen, habe ich immer wieder das Bedürfnis nach Urlaub. Nach Erholung, nach positiven Ereignissen und Erfahrungen. Das Bedürfnis nach Normalität. Natürlich können wir auch zu Hause bleiben, aber mein Bedürfnis nach einem Stück heile Welt überwiegt. Ich bin mir bewusst, dass Urlaub nichts …

Ein Kind ohne Vorzeige-Behinderung

Ich glaube weder an Schubladen noch an Klassen. Aber manchmal lehrt einem das Leben etwas anderes. Was macht man, wenn man kein Kind mit einer Vorzeige-Behinderung hat? Was macht man, wenn das eigene Kind nicht von der beliebtesten Cheerleaderin zum Prom eingeladen wird oder kein Football Star ist, der am Ende des Spieles die Möglichkeit zu einem Touchdown erhält? „Das ist aber eine niedliche Behinderung“ – Diesen Satz habe ich schon oft gehört. Glauben Sie nicht? Das kann ich mir vorstellen, aber es stimmt! Zwar nicht bei Evan aber bei anderen besonderen Kindern. Es scheint eine Klassengesellschaft der Behinderung zu geben. Die Behinderung oder besser gesagt die Behinderten scheinen in verschiedene Gruppen aufgeteilt zu sein. Die Gruppen, die ich bis jetzt entdeckt habe, sind: Die niedlichen Behinderten, die zutiefst mitleiderregenden Behinderten und die schrecklichen Behinderten zu der auch die Untergruppe „die sehen ja komplett gesund aus und sind nur falsch erzogen“ Behinderten gehören. Zu dieser Gruppe scheinen wir zu gehören.  Es gibt behinderte Kinder und Jugendliche, die in Social Media Kanälen gefeiert werden, da sie …

Aufklärung.

Aufklärung. Auf Menschen zugehen, bevor sie weggehen. Menschen aufklären, bevor sie verurteilen. Menschen informieren, bevor sie falsche Informationen beziehen. Ich überlege oft wie viel ich von unserem Privatleben preisgeben kann und darf. Wie viel darf ich von Evan erzählen. Über welche Themen darf ich schreiben? Bevor ich unseren Blog angefangen haben, habe ich mir den Kopf darüber zerbrochen, ob es für Evan okay ist. Manchmal stelle ich mir die Frage immer noch. Ist es okay für ihn? Ich versuche so ehrlich wie möglich zu sein, ohne dabei zu sehr in bestimmte Details zu gehen. Es gibt Themen, über die schreibe ich nicht. Alles andere versuche ich zu beschreiben und zu erklären. Ich bin den Weg der Aufklärung gegangen. Ich habe mich entschieden, einen Blog über unser Leben, über Evan, ins Leben zu rufen und ich würde es immer wieder so machen. Unser Leben ist sowieso „alles andere als normal“. Warum dann nicht darüber schreiben. Ich hoffe, dass Evan eines Tages seinen, unseren Blog, durchlesen kann und ich hoffe noch mehr, dass es ihm gefällt und dass es in Ordnung für …

Nichts als die Wahrheit.

Nichts als die Wahrheit. Oder lieber nicht? Darf man heutzutage noch ehrlich sein? Hallo. Wie geht es Dir? Ich bin vollkommen erschöpft, mental und körperlich. Oh, wie schön. Das freut mich. Danke, mir gehts auch gut. Bis dann. Äh? Okay… Danke. Gerne. Bis dann. Wie geht es Dir? Eine Frage. Im heutigen Gebrauch wohl eher eine Floskel, auf die kaum jemand eine ehrliche Antwort erwartet und hören möchte. Oft wird diese Frage wie ein kurzes „Hallo“ in den Raum geworfen. Das „Danke, sehr gut“ schon nicht mehr abgewartet und mit einem „Danke, mir auch“ beantwortet. Früher habe ich bei dieser Frage immer mein „Mir-geht-es-gut (sehr-gut)-Gesicht“ aufgesetzt. Egal wie scheiße ich aussah und wie abstrus dieses „Mir-geht-es-gut-Gesicht“ zu meinem restlichen Erscheinungsbild gepasst hat. „Wow, ihr geht es gut und sie sieht richtig scheiße aus. Wie schafft sie das bloß?“ (Ehrlich? Das frage ich mich wirklich sehr oft). Ich habe geantwortet, wie die meisten Menschen es von mir erwartet haben. Ich es vielleicht selber von mir erwartet habe. Liebende Mutter, strukturierte Organisatorin, gründliche Putzfrau, zuverlässige Therapeutin und dazu …

Autismus. Das, ist doch…

Autismus. Jedem scheint der Begriff geläufig zu sein. Autismus, das ist doch…. Nee, das bedeutet doch…. Jeder kennt den Ausdruck und noch viel wichtiger, jeder weiß es besser. Welche tägliche Herausforderung Autismus mit sich bringt, ist vielen nicht bewusst oder wird (gerne) unterschätzt. Entweder man ist hochintelligent, verfügt gleich über mehrere Inselbegabungen, oder man lebt isoliert, spricht kaum oder gar nicht und starrt die meiste Zeit an die Decke. Dazwischen? Da scheint es nicht viel zu geben. Vielleicht mal ein „Auf mich wirkt er eigentlich ganz normal“ oder „Ich bin auch oft vom Leben überfordert“. Autismus. In letzter Zeit höre ich das Wort immer öfter. Ist das gut? Das kommt drauf an. Wenn ich Menschen erzähle, dass mein Sohn Autist ist, bekomme ich immer häufiger zu hören: Ah, Autist. Dein Sohn hat doch kein Autismus, Du erziehst ihn nur nicht richtig. Ah, okay. Vielen Dank! Eine Diagnose. Gestellt in nur wenigen Minuten. Sekunden. Autismus scheint für viele Menschen zu einer neuen Modekrankheit geworden zu sein. Das Kind verhält sich nicht angemessen, dank der fehlenden Erziehung …

Das muss einfach (noch)mal gesagt werden.

„Ein rotzfreches Kind. Aggressiv. Nicht erzogen. Respektlos. Einfach nur widerlich. Der ist doch nicht behindert!“ Eine Szene, Worte, aus einem Film? Nein. Leider nicht. Eine Szene aus unserem Leben. Vorgestern am See. Evan hat zwei Damen mittleren Alters mit (etwas) Sand beworfen und nass gespritzt – was ich definitiv nicht billige. Ich habe mich sofort entschuldigt und Evan mit seinen GUK Gebärden zu verstehen gegeben, dass das nicht in Ordnung war. Eine einmalige Szene? Nein. Leider nicht. Egal ob im Supermarkt, auf der Straße, im Park, auf dem Spielplatz, in der Eisdiele, am See, bei Freunden oder Bekannten, Evan verhält sich nicht gesellschaftskonform und angepasst. Sein Verhalten wird oft mit “Frechsein“, Aggressivität und Trotzanfällen verwechselt und mit einem beiläufigen Kopfschütteln bis hin zu gemeinen und menschenverachtenden Kommentaren sowie herablassenden Blicken abgetan. Und wissen Sie was? Das tut weh. Sehr weh sogar. Nicht immer prallen diese Kommentare und Verhaltensweisen an mir ab. An alle Mitmenschen, Freunde, Familie und Wegbegleiter: Evan hat weder immerwährende Trotzanfälle noch ist er gemein gefährlich oder verfügt über ein hochgradiges Aggressionspotenzial. Durch …

Freundschaften.

Früher viel es mir leicht, Freundschaften zu pflegen. Und heute? Kostet es mich unheimlich viel Kraft. Mit einem behinderten Kind ein intaktes soziales Leben zu führen, ist sehr schwer. Manchmal fast unmöglich. Ist zermürbend. Aber ich halte daran fest. An unseren Freundschaften. An unserem sozialen Leben. Über meine Erfahrungen und Veränderungen zum Thema Freundschaften schreibe ich in meinem neuen Artikel bei Philip-Julius. Zum Lesen, einfach hier klicken.     

Man muss nicht immer stark sein.

Diesen Satz musste ich diese Woche am eigenen Leib erfahren. „Man muss nicht immer stark sein“. Ein Satz, 6 Wörter und so viel Wahrheit. Seit 4 Jahren bin ich alleine für meinen Sohn verantwortlich. Ich bin Mutter, Therapeutin, Putzfrau, Köchin, Organisatorin, Geschäftsfrau (einiges eher schlecht als recht) und wenn noch etwas Speicherkapazität vorhanden ist: ein wenig Frau. Ich habe mir im Laufe der Zeit ein undurchdringliches Schutzschild angelegt. Jedes Jahr ist es ein wenig gewachsen. Zentimeter um Zentimeter. Schicht um Schicht. Ich bin so ähnlich wie Super Mario zu seinen besten Zeiten herumgelaufen. Immer von einem Schutzschild umgeben und genügend Lebenspunkte auf dem Konto. Alle Gefahren, Sorgen, Ängste und Kommentare sind an mir abgeprallt. Wäre dieses undurchdringliche Schutzschild nur für mich verantwortlich, wäre es bestimmt weniger verbraucht. Allerdings hat es nicht die geringere Aufgabe, als meinen kleinen Michel aus Lönneberga mit zu schützen. Wenn wir in der Welt der Super Mario Stars bleiben, sähe es ungefähr so aus: Ich, getarnt als Super Mario, versuche mit allen Möglichkeiten mit Evan, getarnt als Yoshi (dem grünen und süßen Dinosaurier) Schritt zu halten. Springe und laufe ihm hinterher, …

Dankbarkeit.

Wie oft beschweren wir uns am Tag? Warum scheint es uns leichter zu fallen, zu kritisieren als zu loben? Warum denken wir selten an das was wir haben, aber immer an das, was uns fehlt? So ergeht es mir. Oft. Sehr oft. In vielen meiner Artikel beschwere ich mich. Klage an. Lasse mich aus. Kritisiere. Mache mich lustig. Beanstande. Nörgle. Belächle. Zweifel an – und das aus gutem Grund. Oft führe ich kämpfe mit Krankenkassen, laufe Anträgen und Gutachten hinterher und ärgere mich. Kritik zu äußern fällt mir persönlich leichter, als ein Lob auszusprechen. Warum? Keine Ahnung! Vor ein paar Tagen ist mir ganz unbewusst bewusst geworden, wie reich beschenkt Evan und ich sind und eine unendliche Dankbarkeit überkam mich. Einige Menschen könnten und würden jetzt fragen, wofür ich denn dankbar bin. „Du hast doch schließlich ein behindertes Kind?! Ach ja und alleinerziehend bist Du auch noch!“ Aber wissen Sie was? Ich bin unendlich dankbar. Dankbar – damit meine ich weniger materielle Besitztümer (von denen ich sowieso nicht viel besitze) sondern eher unbezahlbare Güter wie Freundschaften, innere Zufriedenheit, Ausgeglichenheit, …