Alle Artikel in: Herzfehler

Hallo Angst, ich heiße Dich willkommen!

Es ist früh am Morgen und ich höre ein Klopfen. Erst ganz leise und dann wird es immer lauter. Ich versuche wegzuhören aber ich schaffe es nicht. Ich drehe mich um und versuche wieder einzuschlafen. Klopf. Klopf. Man kann es nicht ignorieren. So gut ich es auch versuche, ein Klopfen bleibt ein Klopfen. Ich stehe auf und gehe langsam zur Tür. Immer noch in der Hoffnung, dass ich mich verhöre aber das Klopfen wird lauter. Ich mache die Tür auf und die „Angst“ begrüßt mich freudestrahlend. Ohne mich zu fragen, stürmt sie herein und macht es sich direkt auf meinem Sessel in der Küche gemütlich. Sie fragt gar nicht erst, ob sie einen Kaffee darf, sie macht sich ihn direkt selber. Ganz selbstverständlich sitzt sie da und trinkt genüsslich ihren Kaffee. Ich setze mich dazu und höre zu wie sie erzählt. Ich komme gar nicht erst zu Wort. Ich werde nichts gefragt. Sofort wird mir bewußt – so schnell werde ich sie nicht wieder los.   Evans Herzfehler rückt durch seine andere Besonderheit sehr oft in …

Nichts als die Wahrheit.

Nichts als die Wahrheit. Oder lieber nicht? Darf man heutzutage noch ehrlich sein? Hallo. Wie geht es Dir? Ich bin vollkommen erschöpft, mental und körperlich. Oh, wie schön. Das freut mich. Danke, mir gehts auch gut. Bis dann. Äh? Okay… Danke. Gerne. Bis dann. Wie geht es Dir? Eine Frage. Im heutigen Gebrauch wohl eher eine Floskel, auf die kaum jemand eine ehrliche Antwort erwartet und hören möchte. Oft wird diese Frage wie ein kurzes „Hallo“ in den Raum geworfen. Das „Danke, sehr gut“ schon nicht mehr abgewartet und mit einem „Danke, mir auch“ beantwortet. Früher habe ich bei dieser Frage immer mein „Mir-geht-es-gut (sehr-gut)-Gesicht“ aufgesetzt. Egal wie scheiße ich aussah und wie abstrus dieses „Mir-geht-es-gut-Gesicht“ zu meinem restlichen Erscheinungsbild gepasst hat. „Wow, ihr geht es gut und sie sieht richtig scheiße aus. Wie schafft sie das bloß?“ (Ehrlich? Das frage ich mich wirklich sehr oft). Ich habe geantwortet, wie die meisten Menschen es von mir erwartet haben. Ich es vielleicht selber von mir erwartet habe. Liebende Mutter, strukturierte Organisatorin, gründliche Putzfrau, zuverlässige Therapeutin und dazu …

Freundschaften.

Früher viel es mir leicht, Freundschaften zu pflegen. Und heute? Kostet es mich unheimlich viel Kraft. Mit einem behinderten Kind ein intaktes soziales Leben zu führen, ist sehr schwer. Manchmal fast unmöglich. Ist zermürbend. Aber ich halte daran fest. An unseren Freundschaften. An unserem sozialen Leben. Über meine Erfahrungen und Veränderungen zum Thema Freundschaften schreibe ich in meinem neuen Artikel bei Philip-Julius. Zum Lesen, einfach hier klicken.     

Man muss nicht immer stark sein.

Diesen Satz musste ich diese Woche am eigenen Leib erfahren. „Man muss nicht immer stark sein“. Ein Satz, 6 Wörter und so viel Wahrheit. Seit 4 Jahren bin ich alleine für meinen Sohn verantwortlich. Ich bin Mutter, Therapeutin, Putzfrau, Köchin, Organisatorin, Geschäftsfrau (einiges eher schlecht als recht) und wenn noch etwas Speicherkapazität vorhanden ist: ein wenig Frau. Ich habe mir im Laufe der Zeit ein undurchdringliches Schutzschild angelegt. Jedes Jahr ist es ein wenig gewachsen. Zentimeter um Zentimeter. Schicht um Schicht. Ich bin so ähnlich wie Super Mario zu seinen besten Zeiten herumgelaufen. Immer von einem Schutzschild umgeben und genügend Lebenspunkte auf dem Konto. Alle Gefahren, Sorgen, Ängste und Kommentare sind an mir abgeprallt. Wäre dieses undurchdringliche Schutzschild nur für mich verantwortlich, wäre es bestimmt weniger verbraucht. Allerdings hat es nicht die geringere Aufgabe, als meinen kleinen Michel aus Lönneberga mit zu schützen. Wenn wir in der Welt der Super Mario Stars bleiben, sähe es ungefähr so aus: Ich, getarnt als Super Mario, versuche mit allen Möglichkeiten mit Evan, getarnt als Yoshi (dem grünen und süßen Dinosaurier) Schritt zu halten. Springe und laufe ihm hinterher, …

Dankbarkeit.

Wie oft beschweren wir uns am Tag? Warum scheint es uns leichter zu fallen, zu kritisieren als zu loben? Warum denken wir selten an das was wir haben, aber immer an das, was uns fehlt? So ergeht es mir. Oft. Sehr oft. In vielen meiner Artikel beschwere ich mich. Klage an. Lasse mich aus. Kritisiere. Mache mich lustig. Beanstande. Nörgle. Belächle. Zweifel an – und das aus gutem Grund. Oft führe ich kämpfe mit Krankenkassen, laufe Anträgen und Gutachten hinterher und ärgere mich. Kritik zu äußern fällt mir persönlich leichter, als ein Lob auszusprechen. Warum? Keine Ahnung! Vor ein paar Tagen ist mir ganz unbewusst bewusst geworden, wie reich beschenkt Evan und ich sind und eine unendliche Dankbarkeit überkam mich. Einige Menschen könnten und würden jetzt fragen, wofür ich denn dankbar bin. „Du hast doch schließlich ein behindertes Kind?! Ach ja und alleinerziehend bist Du auch noch!“ Aber wissen Sie was? Ich bin unendlich dankbar. Dankbar – damit meine ich weniger materielle Besitztümer (von denen ich sowieso nicht viel besitze) sondern eher unbezahlbare Güter wie Freundschaften, innere Zufriedenheit, Ausgeglichenheit, …

Hauptsache gesund.

Blond oder dunkel? Junge oder Mädchen? Egal, Hauptsache gesund. Genau, Hauptsache gesund! Feindiagnostik, Fruchtwasseruntersuchungen, Bluttests – die Möglichkeiten ein gesundes Kind zu bekommen steigen. Hauptsache gesund. Eine Floskel. Eine Feststellung. Eine Selbstverständlichkeit. Wir leben in einem Optimierungszeitalter und einer Leistungsgesellschaft. Heutzutage ist das Streben nach dem Glück und nach dem Optimum allgegenwärtig. Wir optimieren unser Aussehen, unsere Beziehungen. Besuchen Seminare, um unser Leben zu optimieren. Es gibt etliche Anleitungen und Ratgeber für ein erfolgreiches, glückliches und unbeschwertes Leben (einige von Ihnen habe ich sogar zu Hause – allerdings noch ungelesen, vielleicht sollte ich das mal ändern). Wusstest Du denn nicht vorher, dass Dein Sohn krank ist? Doch, das wusste ich. Hauptsache gesund? Hauptsache lebendig, war unsere Devise. Für mich gab es nie eine andere Alternative als mich bewusst für Evan zu entscheiden. Es wäre gelogen zu behaupten, dass ich mir vor 5 Jahren kein gesundes Kind gewünscht hätte. Damals hatte ich nicht den geringsten Zweifel, dass mein Kind nicht gesund sein könnte. Hauptsache gesund, das wird einem von klein auf mitgegeben, also warum sollte ich kein gesundes Kind bekommen? Hauptsache gesund. Woher …

Happy Birthday, kleiner Michel.

Mein lieber Evan, vor 5 Jahren wusste ich nicht, dass man auf einer Klobürste „Old Mc Donald had a Farm“ spielen kann, begleitet von einer Bratpfanne, einer Haarbürste und einer Fliegenklatsche und es einfach wundervoll einzigartig klingt. Ich wusste nicht, dass ein kleiner Mensch, der nicht sprechen kann, so viel zu sagen hat und liebevoll kommunizieren kann. Mir war nicht bewußt, dass Musik auch ohne Noten so wunderschön klingen kann. Ich wusste nicht, wie viele wunderbare Abenteuer man mit einem blauen Kikaninchen und einem grünen Gummibär, inklusive Mauererdekoltee, erleben kann. Ich wusste nicht, dass Stoffhunde schwimmen können und Puppen zum Leben erweckt werden. Ich wusste nicht, dass sich ein Bett in einen Zauberwald verwandeln kann, in und auf dem man Wagnisse erleben kann. Ich wusste nicht, dass aus alltäglichen Kleinigkeiten einzigartige Abenteuer werden können. Ich konnte mir nicht ausmalen wie viel Spaß es machen kann, zu „I am a Gummy Bear“ stundenlang um den Tisch zu tanzen. Ich konnte mir nicht vorstellen wie lustig es ist, mit Hüten und Sonnenbrillen, im tiefsten Winter, einkaufen zu …

Evan. Mein tapferer Knirps.

Ein Bild gibt uns das Gefühl, die ganze Welt in den Händen zu halten. Fotos sind Dokumente des Augenblicks, des Lebens, der Geschichte. Die Fotografie verwandelt die Welt in ein ewig fortbestehendes Angebot, aus der Wirklichkeit in das Reich der Fantasie, aus dem Schmerz in die Freude zu fliehen – durch das Fenster der Seele, das Auge. (Mario Cohen) Bilder besitzen die Kraft ganz besondere Momente festzuhalten. Diese einzufangen und in einer äußerst schonenden und wertvollen Art am Leben zu halten. Einmal habe ich es gewagt mit Evan einen Fotografen aufzusuchen. Ich sage nur so viel: Das Shooting war, bevor es überhaupt angefangen hat, schon wieder vorbei. Der Fotograf und ich waren schweißgebadet. Und Evan? Der war in einem Meer aus Dekoration nicht mehr zu finden. Nach intensiver Suche habe ich ihn dann noch entdeckt. Neben einem Pumpkin und einer Riesenerdbeere. Das Projekt Fotostudio war damit abgeharkt. Eine andere Alternative wäre einen Fotografen über mehrere Stunden zu buchen, was sehr kostspielig ist. Wenn ein paar schöne Momentaufnahmen entstehen sollten, dann benötigen wir ein paar Stunden. Dieser Tatsache …

Krankenhaus mal anders.

Lieber Evan, ich wünsche Dir Ärzte und Therapeuten, die mit Dir um die Wette laufen und Dich ganz nebenbei therapieren und behandeln. Wie schön, wenn dieser Wunsch auch der Realität standhält. Zumindest, wenn es nach Dr. med Wurst und Dr. Schinken geht. Evans Lieblingsärzte, samt roten Nasen. Wenn alle Strike reißen, verwandelt sich Evan in seinen coolen Comic -Helden „Bam Bam“ und wird dank Sonnenbrille unsichtbar – zumindest denkt er das und denken versetzt Berge. Manchmal auch Ärzte. Und Mama? Der geht es gut. Dank ihrer bestellten Sushikrankenhausinsel.  

5% reines Glück.

Abtreibung. Mit diesem Rat habe ich vor fast 6 Jahren die Arztpraxis und das Krankenhaus in Brüssel verlassen. Evan hatte aufgrund seiner Herzdiagnose keine große Überlebenschance. Genau gesagt hatte er gerade einmal 5%. Das war die Zahl, die der Arzt mir genannt hat. 5%. Das ist nicht viel. Da fehlen 95 zu 100% und sogar 45 zu 50%. Hätte mir früher jemand gesagt, sie haben eine 5 prozentige Chance, um das Ziel zu erreichen, hätte ich ihm/ihr direkt ins Gesicht gelacht – vielleicht sogar noch den Mittelfinger gezeigt- und wäre gegangen. Für 5% mache ich mich doch erst gar nicht auf dem Weg. Damals zumindest. An diesem besagten Tag habe ich mich an die 5% geklammert. Bildlich muss es so ausgesehen haben, als wenn ein Erwachsener sich an eine Babyluftmatratze klammert und dabei versucht nicht unterzugehen. Ziemlich lächerlich also. Ich habe sie festgehalten und nicht mehr losgelassen. Ja, fast erdrückt habe ich sie. Die 5% und die Luftmatratze. Abtreibung. Als ich diesen Rat im Krankenhaus erhalten habe, wurde mir geraten weitere Tests durchzuführen, um herauszufinden, ob …